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Buchrezension zum historischen Roman «Unpassend. Die Anfänge der Täuferbewegung.» 

Publiziert am
2. Februar 2025
von
Nathanaël Weber

Markus A. Jost, Unpassend. Die Anfänge der Täuferbewegung. Roman. Edition Königstuhl, St. Gallenkappel 2024. 232 Seiten. ISBN 978-3-907339-63-3. CHF 27.90.

Der Roman erzählt die Geschichte der beiden Ehepaare Georg und Els Cajacob aus Graubünden und Leupold und Anna Scharnschlager aus Tirol auf ihrer Flucht vor den Mächtigen. Nach der Gründung des «Freistaats Gemeiner drei Bünde» im Herbst 1524 verlässt der ehemalige Priester Georg Cajacob seine Heimat und geht nach Zürich, wo er sich im Jahr 1525 wiedertaufen lässt und so die Täuferbewegung gründet, die sofort verfolgt wird. In Mähren bei den Liechtensteinern finden die Täufer zeitweise Zuflucht, so auch Leupold und Anna Scharnschlager, die die dortige Gütergemeinschaft der Täufer jedoch ablehnen. Sie finden ihren Frieden schliesslich in Ilanz in Graubünden.

Der Titel «Unpassend» gibt die Anfänge der Täuferbewegung treffend wieder: Ihre Ideen und deren Umsetzung passten nicht in die damalige Zeit – und noch unpassender erscheinen aus heutiger Sicht die Reaktionen ihrer Gegner.

Der Autor des Buches, Markus A. Jost, wuchs im Baselbiet auf und interessiert sich seit seiner Jugend leidenschaftlich für die Geschichte der Täuferinnen und Täufer. Nach seiner Lehre als Tiefbauzeichner studierte er Informationswissenschaft und Theologie und arbeitete als Print- und Video-Journalist. Heute ist er wissenschaftlicher Bibliothekar, Redakteur und freier Autor. Zudem ist er Präsident der Stiftung Täufererbe.

Das Buch ist ein fesselnder historischer Roman, der in die turbulente Zeit der Reformation und die Entstehung der Täuferbewegung im 16. Jahrhundert mitnimmt. Im Folgenden wird der geschichtliche Hintergrund der Handlung des Buchs stichwortartig erläutert.

Georg Cajacob, besser bekannt als Jörg Blaurock, war eine Schlüsselfigur der frühen Täuferbewegung. Er wurde in Graubünden geboren, studierte Theologie und wurde Priester. Unzufrieden mit der etablierten Kirche und inspiriert von den Ideen der Reformation schloss er sich den radikalen Reformatoren in Zürich an. Am 21. Januar 1525 liess er sich von Conrad Grebel taufen und taufte anschliessend weitere Anwesende. Seine Frau Els hielt (im Roman) trotz der drohenden Gefahren zu ihm. Gemeinsam mussten sie aufgrund ihres Glaubens mehrfach fliehen und erlebten die harte Verfolgung der Täufer. Jörg Blaurock wurde schliesslich am 6. September 1529 in Klausen in Tirol als «Ketzer» auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Der im Herbst 1524 gegründete «Freistaat Gemeiner Drei Bünde» bestand aus dem Gotteshausbund, dem Grauen Bund und dem Zehngerichtebund im heutigen Graubünden. Diese Bünde schlossen sich zusammen, um ihre Unabhängigkeit von äusseren Mächten wie den Habsburgern zu wahren. In einer Zeit des religiösen Umbruchs bot der Freistaat einen gewissen Schutzraum für neue Glaubensrichtungen, doch auch hier war die Akzeptanz begrenzt.

Die erste belegte «Wiedertaufe» der Täuferbewegung am 21. Januar 1525 gilt im Rückblick als Geburtsstunde der Täuferbewegung. Unzufrieden mit den langsamen Fortschritten der Reformation unter Ulrich Zwingli, trafen sich radikale Reformatoren wie Conrad Grebel, Felix Manz und Jörg Blaurock, die sich nicht mit einer Reformation der Obrigkeitskirche zufriedengaben, sondern die wahre Wiederherstellung der Nachfolge Jesu forderten. Bei diesem geheimen Treffen taufte Grebel Blaurock, der daraufhin andere Anwesende taufte.

Der Begriff «Wiedertaufe» wurde von den Gegnern der Täufer verwendet, da diese die Kindertaufe ablehnten und die Glaubenstaufe auch an bereits als Säuglinge Getaufte praktizierten. Täuferinnen und Täufer glauben, dass die Taufe eine bewusste Entscheidung des Glaubens und ein Zeugnis sein sollte, Jesus im Glauben und Leben nachfolgen zu wollen. Einen solchen Beschluss kann ein Kind noch nicht treffen. Dies stellte einen fundamentalen Bruch mit der traditionellen Praxis der Kirche dar und wurde von den staatlichen und kirchlichen Autoritäten als gefährliche Häresie betrachtet. Die Ablehnung der Kindertaufe und die Einführung der Glaubenstaufe führten zu heftigen Verfolgungen durch kirchliche und staatliche Institutionen, da die Taufgesinnten nicht nur religiöse, sondern aufgrund ihres Glaubens auch gesellschaftliche Normen infrage stellten: Dieser Schritt manifestierte damals die Trennung von Kirche und Staat, da sie die Autorität der staatlich unterstützten Kirche, bei der die Grenzen zwischen Kirche, Staat und öffentlichem Leben nicht erkennbar waren, ablehnten und für eine vom Staat unabhängige Glaubensgemeinschaft eintraten.

Mähren wurde Zufluchtsort, wo sich verschiedene Strömungen entwickelten: Viele Täuferinnen und Täufer flohen nach Mähren, einem Gebiet im heutigen Tschechien, das unter der Herrschaft der Liechtensteiner stand. Dort fanden sie vorübergehend Zuflucht und konnten ihren Glauben praktizieren. In Mähren entwickelten sich daraufhin jedoch verschiedene Strömungen innerhalb der Täuferbewegung. Vor allem die Frage der Gütergemeinschaft spaltete die Gemeinde. Während einige Täufergruppen wie die Hutterer den gemeinschaftlichen Besitz aller Güter propagierten, lehnten andere dieses Modell ab und bevorzugten den individuellen Besitz.

Leupold und Anna Scharnschlager stammen aus Tirol und sind ebenfalls zentrale Figuren des Romans. Als Täufer mussten sie ihre Heimat verlassen und fanden in Mähren Zuflucht. Die dort bei den Hutterern praktizierte Gütergemeinschaft entsprach jedoch nicht ihren Vorstellungen von gelebtem Glauben. In Strassburg hatte Scharnschlager eine führende Rolle unter den Täufern, er pflegte enge Beziehungen zu Marpeck. Ob er sich – wie sein Kollege – auch in Augsburg aufgehalten hat, ist nicht belegt. Auf der Suche nach einem Ort, an dem sie ihren Glauben frei und nach ihren Überzeugungen leben konnten, fanden sie schliesslich in Ilanz in Graubünden eine neue Heimat. Leopold Scharnschlager verstarb 1563 in Ilanz. Seine Frau Anna überlebte ihn um einige Jahre. Viele Informationen über Scharnschlagers stammen aus einem Rechtsstreit, der durch die falschen Ansprüche eines Zimmermanns auf ihr Gut ausgelöst wurde.

Der historische Roman taucht ein in die frühe Täuferbewegung und zeigt, wie der Glaube Menschen dazu bewegen kann, immense Risiken einzugehen und grosse Opfer zu bringen. Die Geschichten der Protagonisten spiegeln die Herausforderungen wider, vor denen viele Täuferinnen und Täufer im 16. Jahrhundert standen.

Weiterführend können Sie hier ein Interview mit dem Autor lesen.

James Keller, Augsburg (BRD)

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